BUCHHALTESTELLE in Geiß-Nidda
„Bücher für alle“ in öffentlichem Regal
Von Corinna Willführ
Die Initiatorin Inga Stienen-Thurau (re.)
und Künstlerin Gosia M. Michalak-Stephan
bei der Eröffnung der Buchhaltestelle
in Geiß-Nidda. (Fotos: priv.)
Im Niddaer Stadtteil Geiß-Nidda leben rund tausend Menschen. Es gibt eine frühgotische Dorfbasilika aus dem 13. Jahrhundert, ein Bürgerhaus, drei Kinderspielplätze – und eine Buchhaltestelle. Die Idee, den Platz an der Bushaltestelle mitten im Ort zu beleben, hatte Inga Stienen-Thurau. Die diplomierte Fotodesignerin bestückte die Buchhaltestelle zunächst mit 150 Bänden aus ihrer Bibliothek am Hinterausgang ihres Wohnhauses, der Alten Schule. Heute sind es manchmal bis zu doppelt so viele Exemplare, die nach dem Motto „Bücher für alle“ kostenlos ausgeliehen oder getauscht werden können. Durch die Privatinitiative ist der Platz zu einem Kommunikationsort für Jung und Alt geworden. Zur Nachahmung empfohlen.
Nach Sachgebieten und alphabetisch geordnet
Ein Bildband über Andy Warhol war eines der ersten Bücher, die Inga Stienen-Thurau in die „Buchhaltestelle“ stellte. Dass dieser „Ruck-Zuck“ weg war, hat die 54-Jährige mitnichten geärgert. Vielmehr war es für sie ein Zeichen, dass ihre Idee der „Buchhaltestelle“ funktioniert. Und wie sieht die aus? Bücher ausleihen, lesen und zurückgeben oder neue (gebrauchte) vorbeibringen. Ein Modell, dass es bereits andernorts gibt: in ausrangierten Telefonzellen beispielsweise in Nidda-Bad Salzhausen. Inga Stienen-Thurau ist auf einer Wanderung auf der Bonifatius-Route in Frankfurter Stadtteilen auf das Angebot gestoßen.
Seit 20 Jahren lebt die Diplom-Fotografin in der Alten Schule in Geiß-Nidda. Im Erdgeschoss des Kreativzentrums gibt es einen Raum, der auch für Veranstaltungen genutzt werden kann. Im ersten Stock hat sie eine beachtliche Bibliothek. Für die es ab und an Platz für Neues braucht. Beispielsweise für Sachbücher über Permakultur. Ein Fachgebiet der ökologischen Landwirtschaft, das Inga Stienen-Thurau besonders fasziniert. So entschied sie sich im vergangenen Jahr 150 Bücher aus ihrer Bibliothek auszusortieren – und mit diesen die Buchhaltestelle in Geiß-Nidda zu eröffnen. Eingebaut hat sie die Regale gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn in den Hinterausgang des Hauses. Seitdem finden sich dort Romane und Ratgeber, Kochbücher und Biographien. Ein jedes Sachgebiet zudem noch alphabetisch geordnet.
Motto in vielen Sprachen zu lesen
Inga Stienen-Thurau erinnert sich: „Als ich die Buchhaltestelle am 13. August 2017 zum ersten Mal öffnete, kam wenige Minuten später die erste Nachbarin vorbei.
Am gleichen Tag noch eine Radlergruppe.“ Erstmal seien sie „sehr vorsichtig gewesen, was das denn ist“. Über ihre Neugier kamen die Erstnutzer ins Gespräch – wie auch viele weitere. Denn Inga Stienen-Thurau sieht in ihrer „Buchhaltestelle“ einen Ort der Kommunikation. Der übrigens nur wenige Schritte von der Bushaltestelle im Ortskern von Geiß-Nidda liegt, also rege von Jung und Alt frequentiert wird.
Wie aber die Bewohner in und um den Niddaer Stadtteil auf das Angebot aus Privatinitiative aufmerksam machen? Auf die „Bücher für alle“, die es kostenlos zum Lesen oder Stöbern gibt? Gosia M. Michalak-Stephan, Künstlerin aus Nidda und Freundin der Initiatorin, „half“ mit einem ganz besonderen Geburtstagsgeschenk. Sie sprühte den Slogan „Bücher für alle“ nach dem Motto des in diesem Jahr verstorbenen ehemaligen Kulturdezernenten der Stadt Frankfurt, Hilmar Hoffmann, „Kultur für alle“, in vielen Sprachen auf die hölzernen Türen.
Danach hat Inga Stienen-Thurau kräftig die Werbetrommel für ihr Projekt gerührt. Zur offiziellen Eröffnung am 3. Juni 2018 kam denn auch der Bürgermeister der Stadt Nidda, Hans-Peter Seum. An einen Kommunikationsort, wie es ihn in den Dörfern heute braucht – und den die Initiatorin kürzlich auch dem Arbeitskreis „Lebensraum Dorf“ des europäischen LEADER-Programms Wetterau/Oberhessen 2014 bis 2020 vorstellte.
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